Samstag, 26. Dezember 2020

Was ist ein Burn-Out und wie wird es behandelt?

 Der Begriff ‘Burn-Out’ ist keine offizielle Diagnose, entspricht aber einer Erschöpfungsdepression aufgrund von Überarbeitung. Symptome lassen sich in die drei Hauptbereiche emotionale, kognitive und körperliche Symptome einteilen.

Emotionale Symptome:      Niedergeschlagenheit, Gereiztheit, Hoffnungslosigkeit, Schuldgefühle, Überforderungs- und Versagensgefühle, Motivationsverlust, Interessenverlust, teils Lebensüberdruss oder Suizidalität, Impuls alles hinzuwerfen, verstärktes Sich-Sorgen-Machen, Verbitterung und Zynismus

Kognitive Symptome:          Probleme mit Konzentration und manchmal auch Gedächtnis, Negatives Denken, Rumination (drehende und sich aufdrängende Gedanken), Mühe ‘abzuschalten’ und sich von der Arbeit gedanklich zu distanzieren

Körperliche Symptome:      Schlafprobleme (Mühe mit Einschlafen, Durchschlafen oder frühes Erwachen), Appetitverlust, Antriebsverlust (körperliche Erschöpfung), Libidoverlust, Unregelmässigkeiten mit Monatsblutung, körperliche Anspannung (Mühe sich zu entspannen)

Ferner kann es zu Angstsymptomen kommen wie folgende:
Sich-Sorgen-Machen, Katastrophisierendes Denken, Probleme mit der Verdauung, Panikattacken, Dünnhäutigkeit, körperliche Anspannung (Mühe sich zu entspannen), Alpträume, Schreckhaftigkeit

 

Wie kommt es zu einem Burn-Out?

Da es sich um eine graduelle Entwicklung handelt, ist der Übergang von gesund zu krank nicht eindeutig festzulegen. Wenn wir über längere Zeit über unsere Grenzen hinausgehen und die Warnsignale ignorieren, zehren wir je länger je mehr an unseren Notreserven. Solange ein regelmässiger Ausgleich stattfindet durch angenehme Aktivitäten (oder ‘Passivitäten’!), können die Batterien wieder aufgeladen werden, und der Stress verarbeitet werden. Wenn aber der Stress über längere Zeit anhält, und womöglich noch eine andauernd unbefriedigende oder überfordernde Situation bei der Arbeit besteht, dann sieht es nicht gut aus. Es gibt viele Gründe, die zu einer Depression oder einem Burn-Out führen können. So fallen oft mehrere belastende Ereignisse zusammen, seien es Tod oder Krankheit einer geliebten Person, Beziehungsprobleme wie Konflikte, Trennung oder Scheidung oder andere familiäre Probleme, zusammen mit Schwierigkeiten am Arbeitsplatz.

Gewisse Persönlichkeitsausprägungen tragen ebenfalls zu einem erhöhten Risiko, an Burn-Out zu erkranken bei. Dazu gehören Perfektionismus, Gewissenhaftigkeit, Genauigkeit, verstärkte Identifikation mit der Arbeit, Schwierigkeiten mit Abgrenzung und mit dem Nein-Sagen und hohe Ansprüche an sich selbst (Ehrgeiz, Leistungsorientierung), nur um einige zu nennen.

Behandlung eines Burn-Out

Wenn jemand mit einem Burn-Out zu mir in psychotherapeutische Behandlung kommt, muss ich mir ein Bild des Schweregrads der Symptome machen können. Kann die Person noch funktionieren im Alltag, bei der Arbeit, oder ist allenfalls eine Krankschreibung notwendig, da die Arbeitsfähigkeit nicht mehr gegeben ist, oder der Job zu viel Angst und Stress auslöst. Ich bin generell kein Fan von Medikamenten-Einnahme, doch wenn die Burn-Out Symptome zu stark sind, macht es durchaus Sinn, Antidepressiva einzunehmen. Diese machen nicht abhängig, und können helfen mit der Stimmung, dem Antrieb oder der Angst.

In den ersten Sitzungen geht es zunächst einmal darum, die Dynamik der Depression zu verstehen, oder mit anderen Worten: Was macht die Person krank? Sind es externale oder internale Belastungen? Liegen komorbide, darunterliegende Erkrankungen vor, wie beispielsweise eine ADHS, eine Angststörung, Suchtproblematik oder gar eine Traumatisierung? In einem weiteren Schritt geht es dann darum, herauszufinden, was der Person guttun würde, für welche Aktivitäten oder ‘Passivitäten’ die Person noch motiviert ist, ohne sich zu etwas zwingen zu müssen. Das Wichtigste dabei ist, dass man lieb und nicht fordernd sich selbst gegenüber ist. Ansonsten werden die so oder so vorhandenen Versagensgefühle und Selbstvorwürfe nur noch verstärkt. Seine eigenen Einschränkungen so zu akzeptieren, wie sie sind – und in einer Depression sind diese extrem tief! – ist eine Herausforderung, aber sehr zentral. Es ist eine Illusion zu denken, man würde sich schneller erholen, wenn man sich in einem Burn-Out zu all den Aktivitäten zwingt, die einem (theoretisch) gut tun würden, wie Yoga, Joggen, Meditation, Sport, usw. Die Chance ist hoch, dass zu alldem die Lust und die Energie fehlt. Bleiben lassen. Nur diejenigen Dinge tun, die ohne Zwang und Druck möglich sind.

Der zentralste Punkt im Heilungsprozess ist meiner Meinung nach, dass man den Kontakt zu sich selbst wiederfindet. Das bedeutet, den Kontakt zu seinen inneren Instrumenten, zum Körper und zur eigenen Intuition, die signalisiert, was für uns im Moment gut oder weniger gut ist. Ich verstehe Burn-Out als Kontaktverlust zur eigenen Intuition. Wie wenn Sie in ihrem Auto fahren und über längere Zeit die warnenden Anzeigen im Cockpit ignorieren. «Das Benzin wird schon noch reichen, diese Anzeige kann ich ignorieren, nur noch ein kleines Stück weiter.» Die Warnlampe wird stärker leuchten und lauter piepsen, und allenfalls stellen Sie dann das mühsam piepsende Signal auch einfach ab, wie bei einer Alarmanlage, die fortwährend losgeht, ohne dass ein Einbrecher da wäre. Und irgendwann ist dann der Tank endgültig leer, und das Auto bleibt stehen. Sie sind am Ende Ihrer Kräfte angelangt. Und Sie fragen sich: Wie konnte es nur soweit kommen?

In meiner klinischen Arbeit habe ich schon Menschen getroffen, die die Warnsignale ihres Körpers so lange ignoriert haben, bis sie eines Tages schliesslich zusammengebrochen sind, Weinkrämpfe erlitten haben oder am Morgen nicht mehr aus dem Bett aufstehen konnten. Der Körper hatte beschlossen, dass es genug ist, und dass die einzige Möglichkeit des Selbstschutzes ein «Grounding» sei.

Wir haben leider das Vertrauen in den eigenen Körper verloren, und gedacht, wir wüssten es besser. Aber Fakt ist, dass unsere innere Warnanlage nie ohne triftigen Grund losgeht. Wir sind nie emotional ohne Grund. Es gibt immer einen Grund. Nur leider verstehen wir ihn oft nicht. In einer Psychotherapie kann erörtert werden, was unser Körper und unsere Emotionen uns zu sagen versuchen und woher es kommt, dass wir so stark reagieren in einer gewissen Situation. Durch das Wissen verändert sich zwar unsere emotionale Reaktion nicht, aber wir können lernen, diese in ihrer Intensität einzuordnen und zu akzeptieren. Mit anderen Worten: Wir versuchen zuerst, den inneren Kampf gegen uns selbst zu beruhigen, wir arbeiten an der Bewertungsebene, der Meta-Ebene. Oft zehrt eine (typische) Depression zu einem grossen Teil von dieser negativen Selbstbewertung, von toxischen Scham- und Schuldgefühlen. Sätze wie «Ich bin nicht gut genug» «Etwas ist falsch an mir» oder «Ich bin nicht liebenswert» widerspiegeln diese schambasierte Identifikation, die oft aus dem Kindesalter stammt.

Natürlich spielen bei der Behandlung einer an Burn-Out erkrankten Person noch viele weitere Aspekte ein, auf die ich nicht hier nicht im Detail eingehen kann. Unter Anderem geht es um das Erkennen und im besten Fall Auflösen der negativen Identifikationen, um Aufbau von stützenden Ressourcen, und um die Erarbeitung und das Erleben von Selbstakzeptanz sowohl auf emotionaler als auch auf Körperebene und um den Aufbau eines positiven Selbstbildes. Damit sich diese Aspekte entwickeln, braucht es vor allem eine tragende, vertrauensvolle Beziehung zum Therapeuten. Ein authentisches, mitfühlendes und wohlwollendes Gegenüber, das einen so akzeptiert wie man ist, ist meiner Meinung nach das A und O einer guten Behandlung. Nur so können Sie lernen, wieder an sich zu glauben und das Positive in sich sehen und fördern.