Wie finde ich einen guten Psychotherapeuten?
Dieser Artikel ist bestimmt für alle,
die eine Therapie beginnen möchte und sich fragen, wie sie einen passenden
Therapeuten finden werden. Und für die, die bereits eine Therapie begonnen
haben, sich aber unsicher sind, ob es für sie passt oder nicht. Leider
existieren für dieses sehr zentrale Thema meiner Meinung nach immer noch zu wenige
Ressourcen.
Die zentrale Frage lautet: Welche Kriterien sind relevant? Ausbildung,
Therapierichtung, Erfahrung, Charakter oder die Sympathie zwischen uns? Die
kurze Antwort lautet: Alle diese Aspekte sind wichtig, am wichtigsten jedoch
ist die Sympathie oder Passung, wie man im Therapeutenjargon sagt. Dies haben
umfangreiche Studien bewiesen.
Die Frage, 'Wie finde ich einen guten Psychotherapeuten?' kann in zwei Bereiche
unterteilt werden, nämlich (1) 'Was macht einen guten Psychotherapeuten aus?'
und (2) 'Wie finde ich eine Person,
die mir zusagt?' Die erste Frage beinhaltet Kompetenzen eines Therapeuten sowie
eine der grossen Fragen der Psychotherapieforschung nach den Wirkfaktoren. Die
zweite Frage zielt auf die Passung und den oft unbewussten Kriterien und Dynamiken,
was eine Person sympathisch macht. In anderen Bereichen ist es viel einfacher,
die Fragen nach Qualität und Präferenz getrennt zu beantworten. Wenn Sie
beispielsweise ein Auto kaufen wollen, ist es relativ einfach herauszufinden,
was ein gutes Auto ausmacht und welches ihre Präferenzen sind. Bei einem
Psychotherapeuten ist das viel schwieriger. Der Grund dafür liegt darin, dass
es in einer Therapie um eine menschliche Begegnung geht und die Persönlichkeit
des Therapeuten die Beziehung direkt und indirekt beeinflusst. So nimmt ein
Therapeut auch immer eine Vorbildfunktion ein für den Umgang mit einer
schwierigen Situation oder mit einem Gefühl. Dabei verschwimmen fachliche
Kompetenzen und Persönlichkeitsfaktoren zu einem Gesamteindruck. Meine
Empfehlung an Sie wäre, darauf zu achten, in welchem Ausmass ein Therapeut
fachliche und menschliche Kompetenzen in seiner Person integriert hat und wie
sehr der Therapeut seine Theorien auch selber lebt und damit als authentische Person
rüberkommt.
Kurz gesagt sind Sympathie und das
Gefühl, irgendwie auf der gleichen Wellenlänge mit dem Therapeuten zu sein, die
besten Prädiktoren für Therapieerfolg.
Im Folgenden habe ich die mir am wichtigsten erscheinenden Punkte im Hinblick
auf die Suche einer Therapeutin/eines Therapeuten zusammengetragen und anhand
der oben erwähnten Aspekte geordnet.
1. Grundausbildung und Einfluss der Therapierichtung
2.
Kompetenzen eines Psychotherapeuten
3. Erfahrung und Selbsterfahrung
4. Charakter / Persönlichkeit / Menschliches
5. Sympathie / Passung
6. Formale Aspekte
7. Checkliste für die erste Stunde
Erwartungen an eine Psychotherapie:
ierend sein, wenn man sich Hilfe erhofft. Diese Erwartung stamm aus der typischen Arzt-Patient Beziehungs-Schablone, wo der Arzt alles weiss und dem Patienten das richtige Medikament mitgibt, das alle Probleme löst. Psychotherapie funktioniert hingegen etwas anders: Die Aufgabe eines Psychotherapeuten ist es nicht, die Probleme des Patienten für diesen zu lösen, sondern ihn zu unterstützen, herauszufinden, wie er sich ermächtigen kann und die Lösung des Problems in sich finden kann. Das heisst natürlich nicht, dass ein Therapeut manchmal nicht auch Stellung zu einem Thema beziehen kann oder einen Ratschlag geben kann. Wichtig dabei ist meiner Ansicht, dass der Therapeut trotz allen Prinzipien seine Menschlichkeit nicht verliert, und nicht vergisst, dass Patienten in erster Linie in die Therapie kommen, um Unterstützung zu bekommen, nicht um noch mehr herausgefordert zu werden.
1) Ausbildung und Einfluss der Therapierichtung
Therapierichtungen
Die meisten Therapeuten bilden sich in mehr als einer Therapierichtung aus und
arbeiten eklektisch. Eine Grundausbildung dauert zwischen drei und fünf Jahren
und beinhaltet neben Theorie auch Selbsterfahrung, Supervision, Selbststudium
und ein Praxisnachweis, z.T. auch Prüfungen. Es würde den Rahmen sprengen, alle
Therapieschulen vorzustellen, jedoch soll gesagt werden, dass es wenig Sinn
macht, welche Therapieschule die beste ist, sondern vielmehr darauf ankommt,
wie gut eine Richtung zu einer Person und deren Problemen passt. Wer sich also
wohler fühlt bei einem sehr strukturierten Therapeuten, der Hausaufgaben gibt
und ein klares Behandlungsprogramm verfolgt, dem mag eine kognitiveVerhaltenstherapie zusagen. Wer hingegen auch mit weniger Struktur
zurechtkommt, und gerne die Ursprünge seines Verhaltens bis in die Kindheit zurückverfolgen
möchte, dem sagt vielleicht eine psychoanalytische Therapie oder eine andere Form der tiefenpsychologischen Therapie zu. Wer hingegen
lieber auf kreative und interaktive Weise im Hier und Jetzt erkundet, wie sich
seine Problemmuster zeigen, der mag sich in der Gestalttherapie von Perls oder der
Gesprächstherapie von Rogers wohl fühlen. Die systemische Therapierichtung
betrachtet eine Problematik auf dem Hintergrund des Familiensystems und den
Interaktionen.
- Traumatisierte und Angst-Patienten brauchen mehr
Struktur und Sicherheit
-
Zwangs-Patienten profitieren von erlebnisorientierten und gegenwartsbezogenen
Therapieformen
-
Kopflastige Patienten profitieren von körperorientierten Methoden
-
Schizophrenie- und Psychose-Patienten brauchen eine klare Struktur
-
Suchtpatienten profitieren von einer konfrontativen, direktiven, aber auch
wertschätzenden Methode
-
Personen mit Persönlichkeitsstörungen profitieren von einer tiefgreifenden
Methode, und oft stehen auch
Traumatisierungen im Hintergrund
2) Kompetenzen eines Psychotherapeuten
Ich möchte hier noch speziell auf einen wichtigen Punkt im Zusammenhang mit Empathiefähigkeit hinweisen. Ungezügelte Empathie ist nicht hilfreich, denn wenn es dem Therapeuten selber so nahe geht, wird ein empfindsamer Patient sich beginnen um ihn zu sorgen und allenfalls das Gefühl bekommen, er sei zu viel für den Therapeuten. Daher benötigt ein guter Therapeut neben einer starken Empathiefähigkeit auch eine gute Fähigkeit zur Abgrenzung, um sein eigenes Gleichgewicht gut halten zu können und in jeder Situation professionell bleiben zu können.
Behandlungsplan & Diagnostik
→ Wie finde ich das heraus? Spricht der Therapeut mit ihnen über die Behandlungsplanung? Wenn nicht, fragen sie ruhig nach. Wenn sie sich unsicher und in der Luft hängen gelassen fühlen, fragen sie nach. Das Erstellen des Behandlungsplans sollte gemeinsam erfolgen! Wenn Sie Fragen haben, und der Therapeut kann oder will diese nicht beantworten, dann suchen Sie sich einen, der ihre Fragen beantwortet. Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl!
Hier habe ich noch einige Therapeuten-Kriterien stichwortartig zusammengestellt
- Er ist empfindsam, nimmt einen ernst und ist fähig, sich einzufühlen, ohne zu werten
- Er ist voller Interesse, Neugier und Flexibilität und hat sich einen «Anfängergeist» bewahrt.
- Er steht auf Augenhöhe und gibt nicht vor, besser zu wissen, was für den Patienten gut ist
- Er tritt authentisch als Mensch auf, und versteckt sich nicht hinter seinem Berufstitel und einer Pseudokompetenz
- Er kann Intensität erzeugen. In der Therapie wird nicht nur geredet, es werden starke Gefühle erlebt.
- Er strahlt Sicherheit und Vertrauen aus
- Er verspricht keine unrealistische Heilerfolge
- Er kann verständnisvoll unterstützend, aber auch herausfordernd sein
- Man fühlt sich akzeptiert und nicht gewertet, vor allem bei schwierigen Themen (aufs Bauchgefühl hören!)
- Er ist offen und interessiert, auch eigene Ideen zu verwerfen oder die bisherige Therapie bis zu einem gewissen Punkt an die Wünsche des Patienten anzupassen
- Er fragt nach, ob die Therapie für den Patienten passt und was noch verbessert werden könnte.
- Er hält schwierige Gefühle aus und interpretiert nicht jede Gefühlsregung gleich weg
- Er spricht auch schwierige Themen an, hakt nach und ist ehrlich und transparent mit ihnen.
- Er freut sich über Therapiefortschritte, auch Schritte in die Unabhängigkeit.
3) Erfahrung / Selbsterfahrung
Einige dieser Punkte wurden bereits in
der obigen Stichwortliste erwähnt. Unter Selbsterfahrung versteht man, dass
jeder ärztliche und psychologische Psychotherapeut auch selber in Therapie geht
und an den eigenen Themen arbeitet. Ein guter Psychotherapeut sollte sich viel
und fortgesetzt mit sich selbst auseinandergesetzt haben. Therapeuten sind auch Menschen und
haben auch ihre Probleme, Schwächen und Grenzen. Wirklich stark ist meiner
Meinung der, der seine Schwächen kennt und sie zu regulieren weiss, also sich
bei Bedarf schützen kann, sich Unterstützung holen kann oder sich selbst
beruhigen kann. Zudem kann sich ein Therapeut mit viel Selbsterfahrung auch
besser in die Schuhe eines Patienten einfühlen. Professionelle
4) Charakter / Persönlichkeit /
Menschliches
Die Haltung
eines Therapeuten widerspiegelt die zugrundeliegenden Werte und Überzeugungen
des Therapeuten. Diese sollten auf Respekt, Wertschätzung, Achtung der Bedürfnisse und Werte
des Patienten, Herzlichkeit & Wärme, Zuwendung und Offenheit beruhen. Diese
sind natürlich auch verschieden, teils auch stark geprägt durch die
Therapieschule.
Es sollte spürbar sein, dass sich der Therapeut für die Bedürfnisse und Wünsche
des Patienten interessiert, und sich Zeit nimmt, zuzuhören und richtig zu verstehen.
Schon allein das Verstehen-Werden kann einem Patienten viel Sicherheit und
Bodenhaftung vermitteln. Die therapeutische Beziehung sollte geprägt sein von professioneller
Empathie, Wertschätzung, Zielkonsens, Herzlichkeit, Zuwendung, Wärme, Respekt und Humor. Ein
authentischer Therapeut legt zudem Wert auf Transparenz und Ehrlichkeit (v. a.
in Bezug auf Nicht-Wissen). Wer vorgibt, alles zu wissen oder unrealistische Heilversprechen
abgibt, zeigt damit bloss seine eigene Unsicherheit und damit mangelnder
Auseinandersetzung mit sich selber. Das sind klare No-Go's. Eine gute Frage in
diesem Zusammenhang, wäre: «Denken Sie, dass Sie mir helfen können? Wie?«
Ein Therapeut sollte zudem auch feinfühlig genug sein, um Ihre eigenen feinen
Reaktionen, egal ob ausgesprochen oder nicht, wahrzunehmen und zu respektieren.
5) Sympathie / Passung
In diesem Bereich gilt es vor allem,
auf sein Bauchgefühl zu hören. Fühle ich mich wohl? Passt es? Kann ich mir
vorstellen, mich dieser Person gegenüber zu öffnen und verletzlich zu zeigen?
Vor allem für Menschen ohne Therapieerfahrung kann das sehr schwierig sein,
auseinanderzuhalten, ob es sich jetzt merkwürdig anfühlt, weil die Erfahrung
neu ist, oder ob das etwas mit dem Therapeuten zu tun hat. Wenn man sich aber
regelmässig in oder nach den Stunden unsicher oder schlecht fühlt, würde ich
dem Bauchgefühl glauben und den Punkt entweder mit dem Therapeuten ansprechen
oder zu einem anderen wechseln und schauen, ob es dort anders ist.
6) Formale Aspekte
Daneben kommen natürlich noch formale Aspekte dazu, die unsere Auswahl auch
massiv beeinflussen wie Kosten, Lage, freie Therapieplätze, Anerkennung durch
Kassen, Einrichtung, und allenfalls Rückmeldungen
7) Checklisten
- Welche (Grund-)Ausbildung hat der Therapeut?
- Mit welchen Verfahren arbeitet der Therapeut hauptsächlich?
- Bringt er andere Verfahren oder Methoden zusätzlich ein? Arbeitet der Therapeut ausschliesslich mit Reden (d.h. verbal) oder auch mit nonverbalen Methoden (z.B. mit Rollenspielen, Trance oder Körperarbeit)?
- Kann die Therapie über die Krankenkasse finanziert werden?
- Über Grundversicherung oder Zusatzversicherung?
- Wenn ja, wie ist der typische Ablauf?
- Wenn nein, wie hoch ist sein Honorar? Wie sind die Zahlungsmodalitäten (bar, Überweisung nach Rechnung u.ä.)?
- Denken Sie, dass Sie mir helfen können? Wie?
- Haben Sie Erfahrung mit diesem Typ Problem/Diagnose? Können Sie mir etwas dazu sagen? Was erwartet mich?
- Welche Sitzungsfrequenz kann der Therapeut anbieten (z.B. eine Sitzung oder mehrere die Woche, vierzehntägig)?