EMDR bedeutet "Eye Movement Desensitization and Reprocessing" und wurde 1987-1989 von der Amerikanischen Psychologin Dr. Francine Shapiro zur Behandlung von Traumata entwickelt. Durch schnelle horizontale Augenbewegungen (L-R) wird im Gehirn die Verarbeitung von Gedächtnisinhalten gestartet. Wird eine belastende Erinnerung so durcharbeitet, sinkt die Belastung (im besten Fall) andauernd ab. Was zunächst simpel klingt, ist eine komplexe und umfangreiche Psychotherapiemethode, bedarf einer mehrjährigen Ausbildung, zu der aktuell nur anerkannte Psychotherapeuten zugelassen sind. Als ich zum ersten Mal von den unglaublichen Heilungserfolgen von EMDR hörte, war ich zugegebenermassen sehr skeptisch. Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass EMDR eine sehr effektive Therapiemethode für Trauma ist und ein mächtiges Instrument zur gründlichen und schnellen Durcharbeitung von Emotionen. EMDR funktioniert für die meisten Menschen.
Geschichte
Die
Amerikanische Psychologin stiess 1987 durch Zufall auf die Wirkung der
Augenbewegungen. Sie hatte damals soeben selber eine schwierige
Diagnosestellung erhalten und machte zum "Verdauen" der Neuigkeiten
einen Spaziergang im Park des Spitals. Dabei bewegte sie
ihre Augen (zufällig) schnell hin und her. Nach zehn Minuten war
ihre Belastung plötzlich wie verschwunden. Shapiro war so beeindruckt,
dass sie in den darauffolgenden Jahren EMDR daraus entwickelte. Später
fanden Shapiro und Kollegen heraus, dass der Effekt nicht
ausschliesslich durch Augenbewegungen hervorgerufen werden kann, sondern
dass das eigentliche Wirkprinzip die bilaterale Stimulation ist.
Doch der Name EMDR hatte sich bereits so stark etabliert, dass sie auf
eine Namensänderung verzichteten. Heute hat der Patient die Wahl, ob er
EMDR mit Augenbewegungen, alternierenden Tönen (mit Kopfhörern) oder
mit einem vibrierenden Gerät ("EMDR Buzzies") machen möchte.
Wirkprinzipien
Interessanterweise ist die Wirksamkeit sehr gut belegt, nicht aber die
exakte Wirkweise von EMDR. Bislang existieren lediglich Hypothesen.
•
Ankurbeln der Verarbeitung von Gedächtnisinhalten, ähnlich wie im
REM-Schlaf
• Informationsverarbeitungssystem im
Zentralnervensystem (ZNS) wird aktiviert. Durch die
Reizüberflutung
während einer traumatischen Situation scheint dieses System zum Teil
blockiert zu
werden.
• EMDR löst eine Orientierungsreaktion aus und
führt so direkt zu einer Desensibilisierung und
Verarbeitung der
traumatischen Erinnerung
• EMDR fördert den bilateralen
Datenaustausch zwischen den Hirnhälften. So können
unverarbeitete Erinnerungen verarbeitet werden.
Langsame vs. schnelle Stimulation
Mit langsamer Stimulation werden vorhandene Phänomene verstärkt oder
verankert. Diese Effekte sind nur temporär. Diese Technik kommt bei
einer ersten Testsitzung zum Einsatz (sog. Absorptionstechnik) oder beim Abschluss einer erfolgreichen EMDR-Sitzung (sog.Verankerung).
Mit schneller Stimulation wird die Verarbeitung gestartet, also die
eigentliche EMDR-Behandlung. Diese Effekte sind andauernd.
Wirksamkeit
Die EMDR-Methode hat sich als eine effektive und zeitökonomische
Behandlungsmethode für die posttraumatische Belastungsstörung etabliert.
Heute ist in fast jedem zivilisierten Land eine EMDR Ausbildungsstätte
zu finden. Über die PTBS hinaus gibt es zunehmend positive Erfahrungen
mit anderen Störungsbildern. In den 30 Jahren ihres Bestehens hat sich
EMDR zur Therapiemethode mit den meisten kontrollierten und
unkontrollierten Therapiestudien zur Behandlung von PTBS entwickelt. Die
Effekte sind andauernd und heben sich deutlich von Placeboeffekten ab.
Mit anderen Worten: Es funktioniert auch, wenn man nicht daran glaubt.
Bei der EMDR-Behandlung einer Person mit einer einzelnen Traumatisierung
reichen in der Regel wenige Sitzungen, wenn keine starken
Vorbelastungen vorliegen. Bei der Behandlung von Personen, welche eine
sequentielle Traumatisierung über einen längeren Zeitraum hinweg erlebt
haben, braucht es für die Stabilisierungsphase einen längeren Zeitraum.
Diese Phase kann Wochen bis Jahre dauern.
Anwendungsfelder
• Monotrauma (einzelnes Ereignis)
• Komplexes Trauma (sich über längere Zeit wiederholende
Ereignisse). Dazu gehören körperlicher, emotionaler und sexueller
Missbrauch, Kriegserlebnisse u.a.
• Bindungsstörung / Entwicklungstrauma: Bearbeiten von prägenden Beziehungserfahrungen
• Depression: Bearbeitung der den Identifikationen zugrunde liegenden Erfahrungen
• Angst, Panikattacken, Phobie: Bearbeitung der zugrunde liegenden Erfahrung
• ADHS: Verarbeiten von selbstwert-belastenden Ereignissen
• Asperger Syndrom: Verarbeiten von selbstwert-belastenden Ereignissen
• Zwangsstörung: Bearbeitung der zugrunde liegenden Erfahrung
• Trauerprozesse: Bearbeiten von hartnäckigen Trauererfahrungen
Ablauf einer EMDR Behandlung bei Traumatisierung
Der Ablauf einer Behandlung gliedert sich in 8 Phasen. Im besten
Fall kann nach wenigen Sitzungen mit dem Bearbeiten der Erinnerungen
begonnen werden. Die folgenden 8 Phasen gehören in jede EMDR
Behandlung:
1. Gründliche Anamnese - Auflistung -
nicht Vertiefung! - von belastenden Ereignissen - Diagnosestellung
(allenfalls Traumadiagnostik) mit besonderem Fokus auf allfällig
Dissoziation - Indikation und Behandlungsplan
2. Vorbereitung - diese Phase kann zwischen wenigen Sitzungen und Jahren dauern! -
Ausführliche Aufklärung und Information über Behandlung -
Prüfen/Erlernen von Emotionsregulationsmechanismen - Erlernen von
Stabilisierungstechniken, Erkunden des Kontakts zum Körper und
Gefühlen - Testsitzung mit positivem Material (sog. Absorptionstechnik), mit langsamer Stimulation
3. Bewertung einer ausgewählten Erinnerung (Bild, Gedanken, Emotion, Belastung, Körper)
4. Reprozessierungmit schneller bilateraler Stimulation, bis Belastung verschwunden ist
5. Verankerung der positiven Gedanken/Körperempfindung mit langsamer Stimulation
6. Körpertest- Die PatientIn scannt den Körper nach Bereichen des Unwohlseins oder Schmerzen
7. Abschluss -
Die Patientin soll immer in einem stabilisierten Zustand die Sitzung
verlassen, auch wenn die Bearbeitung der Erinnerung noch nicht komplett
abgeschlossen ist, d.h. wenn noch eine Restbelastung übrig bleibt.
Dazu stehen zahlreiche Stabilisierungs-Techniken zur Verfügung.
8. Überprüfung und Planung in der nächsten Sitzung
Die eigentliche Bearbeitung der Erinnerungen findet in einer 60-90 Minütigen Sitzung statt (Phasen 3-7).
Anmerkung: Anstelle der oft ermüdenden Augenbewegungen kann EMDR mithilfe eines vibrierenden Geräts (EMDR “Buzzies”) durchgeführt werden.
Bedingungen für eine EMDR Behandlung
• PatientIn sollte sich idealerweise in einer "relativ" stabilen
Lebensphase befinden, d.h. aktuell keine tiefgreifenden Lebensereignisse
wie Wohnungswechsel, Abschlussprüfung, Trennung/Scheidung,
Schwangerschaft, Geburt eines Kindes, Entzugsbehandlung, etc.
•
Ausreichende Selbstregulierungsmechanismen (da Behandlung
ambulant durchgeführt wird), d.h. Fähigkeit, belastende Gefühle
zulassen zu können und wieder von alleine in eine psychische
Ausgeglichenheit kommen zu können
• Keine andauernde Missbrauchsbeziehung
• bei ADHS Patienten: Medikamentöse Behandlung als Voraussetzung
• Ausschlusskriterien: Psychose, Epilepsie, akute Suizidalität,
permanenter Drogeneinfluss, permanenter Benzodiazepinkonsum
Links
• EMDR Schweiz emdr-schweiz.ch - mit Liste von anerkannten EMDR TherapeutInnen in der Schweiz
Foto: Vielen Dank an Patrick Brinksma.
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